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Vermittlung der Dialogfähigkeit mit anderen Kulturen innerhalb und außerhalb des Islam als Aspekt der interkulturellen Korandidaktik

Dr. phil. Milena Azize Rampoldi

 

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Ich bin der Überzeugung, dass die interkulturelle Korandidaktik im deutschen Sprachraum wesentlich auf die Dialogfähigkeit fokussieren soll, um die muslimischen Kinder und Jugendlichen zu dialogfähigen, muslimischen Weltbürgerinnen und Weltbürgern zu erziehen.

Meiner Ansicht nach kann man die Dialogfähigkeit im Allgemeinen als die Fähigkeit definieren, auf andere zuzugehen, sie als Partner wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen, eine Beziehung zu ihnen herzustellen, Lösungen miteinander auszuhandeln, konstruktiv Probleme anzugehen und in der Lage zu sein, diese zu lösen.

 

Somit gilt die Dialogfähigkeit vor allem im interkulturellen und interreligiösen Bereich als grundlegend für das Zusammenleben.

Diese Dialogfähigkeit sollte daher im Koranunterricht ab der Grundschule als vorrangiges Lernziel gelten. Die Dialogfähigkeit mit den anderen Kulturen ist vor allem für die muslimischen Kinder wichtig, die in einer nicht-muslimischen Umgebung aufwachsen, wie zum Beispiel in einem westlichen Land. Es ist ausschlaggebend, dass die Kinder genug vom Islam lernen und ausreichende Informationen über ihre Religion besitzen, um auch darüber sprechen zu können.

 

Selbstverständlich sollten dieses Sprechen und dieses Erzählen über den Islam altersgerecht und im Einklang mit der kognitiven und emotionalen Entwicklung des einzelnen Kindes erfolgen.

Im Alltag der Musliminnen und Muslime kommt es nämlich sehr oft vor, gefragt zu werden, warum man etwas denkt oder aus welchem Grunde man auf eine gewisse Art und Weise handelt und lebt. Es kann auch im schulischen Alltag vorkommen, dass die muslimischen Kinder in einer multikulturellen Schulklasse dazu beitragen können, Inhalte vorzustellen, die den Islam und ihre Kultur und die geografischen, historischen und sozialen Bedingungen ihrer Herkunftsländer betreffen.

 

In diesem Zusammenhang muss sich vor allem das Gastland darauf einstellen, die Anwesenheit der muslimischen Kinder als Bereicherung und nicht als Hemmschuh anzusehen. Um dies zu erreichen, kann man gleichzeitig auch viel tun, um tief verankerte Vorurteile gegenüber dem Islam zu überbrücken.

Für die muslimischen Kinder ist die Erziehung zum Dialog andererseits auch für sich selbst wichtig, da der Dialog im positiven Sinne dazu beiträgt, Belastungen und frustrierende Erfahrungen im Kontakt mit ihren andersgläubigen Kameraden zu verhindern. Abdoldjavad Falaturi spricht in Guide to the Presentation of Islam in School Textbooks, S. 184, in diesem Zusammenhang von einem unbelasteten Dialog als Garant des gerade heutige so notwendigen Weltfriedens:

 

Dialog aus Neugier, Dialog aus Noch-mehr-wissen-Wollen kann nur bei unbelasteten Beziehungen stattfinden; ein fruchtbarer verheißungsvoller, zukunftsweisender Dialog; ein Garant, ein idealer Garant für den Weltfrieden“.

 

Was aber auch für ein Kind als bedeutend erscheint, ist die Beständigkeit der eigenen Kultur und Umgebung. Dass die muslimischen Kinder aus Ländern stammen, in denen es Kultur und Traditionen gibt, die erzieherisch auf die Menschen wirken, dessen müssen sich die Kinder als erste bewusst sein, vor allem, weil sie sich als Migrantenkinder räumlich neu orientieren und auf zahlreiche Hindernisse stoßen, die sie nur überbrücken können, wenn sie eine starke Identität und viel Selbstbewusstsein besitzen.

 

Und während sie dieses Bewusstsein für die eigene länderspezifische muslimische Kultur aufbauen, sehen sie auch die Unterschiede zu den anderen muslimischen Ländern, aus denen ihre Mitschüler und Mitschülerinnen im Koranunterricht stammen. Das ist ein sehr guter Ansatz, um an den Unterschieden schon innerhalb des Islam zu arbeiten, bevor man auf die Kultur des Gastlandes und der anderen nicht-muslimischen Länder der Welt sieht.

 

Dieser Dialog ist unentbehrlich, damit sich keine Parallelgesellschaften im Gastland bilden, die neben der sogenannten deutschen Leitkultur entstehen und mit dieser nicht mehr kommunizieren wollen. Anstatt dessen kann durch Dialog eine gemeinsame Anerkennung allgemeiner menschlicher Werte entstehen, die eine wahre, multikulturelle Gesellschaft am Leben erhält, weil jeder Mensch darin in seiner Würde anerkannt und wahrgenommen wird.

 

In einem darauffolgenden Schritt kommt das Bewusstsein des Gastlandes, dass es sich bei den muslimischen Kindern nicht um kulturlose Menschen handelt, die vom Westen erst zivilisiert werden müssen, sondern um Kinder, die ihre eigene Kultur mitnehmen und sich mit ihr auch außerhalb ihres Herkunftslandes auseinandersetzen, wenn auch in einem oft komplexen Prozess der räumlichen Neuorientierung im Westen.

 

Dialog kann erst entstehen und fruchtbar sein, wenn die DialogpartnerInnen sich auch des Wertes der eigenen Kultur und Religion bewusst sind. Mit einem Anderen über die eigene Religion zu sprechen, bedeutet dialogfähig zu sein, ohne unbegründete Angst davor haben zu müssen, die eigene religiöse Welt aufzugeben.

Auf beiden Seiten gibt es noch große Hürden, die es zu überwinden gilt, um den wahren Dialog zu fördern. Vor allem soll auf beiden Seiten die Vorstellung überwunden werden, Dialog mit Missionierung gleichzusetzen. Die Koranschule ist jedoch alleine nicht dazu fähig, eine solch große Arbeit zu bewältigen, die beim Koranlehrer/der Koranlehrerin selbst anfangen sollte. Meiner Meinung nach gilt es als wesentlich, dass die Lehrpersonen den Weg zum Dialog selbst beschreiten, bevor sie ihn ihren Schülern und Schülerinnen aufzeigen.

 

Wenn die muslimische Familie und Gemeinde diese Erziehung zum interreligiösen Dialog und zur interreligiösen, sachlich und historisch fundierten Bildung nicht unterstützen, sind aber die hier dargelegten Bemühungen von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

 

@ Ekrem Yolcu



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