Die Mutter ist die Madrassa

Über die Grundlagen der Erziehung von muslimischen Kindern ist eine breite Diskussion entstanden. Gibt es erste Schritte hin zu einer islamischen Erziehung? Hadija Meier unternimmt erste vorsichtige Gehversuche für die Islamische Zeitung. Geplant ist eine regelmäßige Serie zum wichtigen Thema "Muslime und Erziehung".

Es gibt eine große Diskussion unter den muslimischen Frauen über die Erziehung ihrer Kinder. Die Muslime favorisieren teilweise häusliche Erziehung, staatliche Schulen oder muslimische Madrassas. Allen Muslimen ist klar, daß eine erfolgreiche Erziehung nicht allein von Eltern gewährleistet werden kann. Vielmehr hat die ganze Gesellschaft eine enorme Verantwortung für die Erziehung.

Noch werden die verschiedensten Erziehungsmodelle von den  Muslimen gewählt, da im Grund noch kein Erziehungsmodell sich als "islamisches" wirklich durchgesetzt hat. Oft fehlt aber auch vor Ort jede Alternative. Muslime müssen d ann ihre Kinder in die staatlichen Schulen schicken, obwohl oft die staatliche Erziehung augenscheinlich versagt. Muslime wollen grundsätzlich nicht die Erziehung allein den staatlichen Stellen überlassen. Über alle diese Themen ist im deutschsprachigen Raum eine lebhafte und positive Diskussion entbrannt. Es ist natürlich wichtig, daß Muslime sich zunächst über Ihre eigenen Vorstellungen hinsichtlich authentischer Erziehung austauschen. Bisher gibt es für die meisten Muslime kein Patentrezept.

Auf das Erziehungsproblem gibt es keine spezifische Antwort außer der, daß alle Kinder verschieden sind und so die Familien und die Mütter mit ihren Bedürfnissen.

Was die Rolle der Mütter in der Erziehung ist, wird heute durchaus kontrovers diskutiert. Viele Stellungnahmen wie "Die Mutter ist der Lehrer", "Der Garten liegt unter den Füßen der Mütter" sind hierbei bekannt - es ist aber auch davon zu hören, daß Eltern wegen der mangelnden Distanz zu den Kindern oft die schlechtesten Erzieher sind.

Die Sache, die allen Muslimen am meisten am Herzen liegt, ist: wie bereiten wir unsere Kinder vor, in die Welt hinaus zu gehen und den Din des Islam zu bewahren. Dies ist keine leichte Aufgabe, und am Ende ist es in Allahs Händen, aber wir haben die Verantwortung, das Beste aus unserer Aufgabe zu machen, und wir müssen uns bemühen, die besten Wege dafür zu finden. Daß Muslime im Diskurs um die Erziehung immer wieder Entscheidendes beizutragen haben, zeigt sich auch im Ergebnis neuester wissenschaftlicher Untersuchungen an deutschen Schulen. Inzwischen ist unbestritten, daß die Trennung von Jungen und Mädchen im Interesse der Mädchen zu favorisieren ist. Untersuchungen haben gezeigt, daß sich Mädchen eindeutig schneller und konsequenter entwickeln, wenn die Trennung beachtet wird. Damit ist belegt, daß der irreale Vorwurf an die Muslime, dieTrennung sei zum Nachteil der Mädchen, heute eindeutig widerlegt ist.

Es gibt kein allgemeingültiges Rezept, aber hier sind einige weitere Gedanken zu dem Thema:

Der Prophet, Friede sei mit ihm, sagte: "Ich bin gekommen, um guten Charakter zu verbessern", und dies müssen wir anstreben. Auf die Rolle der Mutter in der Erziehung angesprochen, sagte Scheich Abdalqadir vor kurzem zu einer Gruppe von Frauen in Marokko, daß die Erziehung durch die Mutter ein Gleichnis für die Unterweisung des Muriden durch den Scheich ist. "Zu Beginn wird der Scheich zu dem Neuling sagen: 'Komm, Komm und sitze bei mir', und ihm eine Menge Aufmerksamkeit schenken, und dann wird der Scheich ihm sagen: 'Geh und mach das für mich und hole mir dies oder jenes.'

Schließlich wird der Scheich sagen: 'Jetzt gehe dorthin und baue dir selbst etwas auf.' So könnt ihr sehen, daß die Mutter mit dem Kind in der Position des Scheichs ist. Sie ist von unschätzbarem Wert, den wir nicht übersehen können." Er führte weiter aus: "Wenn das Kind in seinen ersten Monaten ist, ist es einem Madschdub gleich, es schaut hier hin und dorthin und sieht überall Allah. Nach einiger Zeit lernt es, seine Mutter und ihren Blick zu finden. Ich kann nicht stark genug darauf hinweisen, wie wichtig der Blickkontakt der Mutter mit dem Kind ist, da dies der Übermittlungsweg der Erziehung des Babys in Tauhid ist. Das Kind ist hungrig, es schreit, die Mutter nimmt es auf und plötzlich - das Baby findet den Blick der Mutter, und dann kommt die Milch. Hier schließt sich der Kreis. Rasullullah, Friede sei mit ihm, sagte et was über diesen Effekt, "Mit der Milch kommt Wissen". So ist der Blick der Mutter auf ihr Kind wie eine Tür für  das Baby, die ihm seinen Versorger, Herren und Schöpfer zeigt, und die Mutter ist sein Lehrer."

Wir wissen, daß die ersten Abschnitte des Lebens außerordentlich wichtig sind, daß in den ersten beiden Lebensjahren der Charakter, die Gewohnheiten und das Leben des Kindes geprägt werden. Es beginnt, in der Tat, mit der Em pfängnis und das ist auch der Grund, warum es für die werdende Mutter so grundlegend ist, auf ihre Umgebung zu achten und auf ihren Zustand.

Goethe, der große deutsche Dichter, der sich am Ende seines Lebens zum Islam bekannte, sagte in seinem "Wilhelm Meister", in welchem er sich an vielen Stellen mit der Erziehung der Jugend befaßte, daß gesunde und gutgef ormte Kinder viele wertvolle Geschenke in diese Welt brächten. In der Regel seien die von der Natur geformten Kinder die Besten, aber mit leichter Unterstützung, wo Unterstützung weise und nützlich erscheine; und mit Geduld, die sehr f ür von Nöten sei.

Aber es gäbe eine Sache, die kein Kind in diese Welt brächte, und ohne welche alle Dinge nichts nützten. Wilhelm Meister fragte seinen Lehrer, der ihm antwortete, dies sei die Ehrfurcht. Diejenigen zu ehren, die größer und besser seien als man selbst, Ehrung die sich von Furcht unterscheide. Dieses Schlüsselelement fehlt heutzutage in der nicht-muslimischen Erziehung und ist eines der Dinge, die für die Menschen in einer "demokratischen& quot; Gesellschaft am schwersten zu verstehen sei.

An anderer Stelle führte Goethe aus, daß jemand, der in vernünftiger Freiheit aufwachse, der umgeben gewesen sei von schönen und edlen Gegenständen, in der Gemeinschaft guter Charaktere, wenn seine Meister ihm diejenigen Dinge beibrächten, die er zuerst bräuchte, damit der Rest einfach zu verstehen sei und seine ersten Handlungen ihn in eine spätere gute Richtung führten, diese Person werde ein reineres, perfekteres und glücklicheres Leben fü hren als derjenige, der seine jugendlichen Energien in Widerstand und Schrecken verschwendet habe. Es sei so viel über Erziehung gesagt und geschrieben worden und er - Goethe - sehe nur wenige Leute, die eine einfache, aber große Idee verstehen könnten und in der Lage wären, diese in die Praxis umsetzen.  Wir bitten Allah, daß er uns von diesen Leuten macht, und daß wir in der Lage sind, diese große und ehrenvolle Aufgabe zur erfüllen, mit Seiner Hilfe, inscha' Allah.

In zwei Berichten über Imam Malik aus dem "Tartib al-Madarik" heißt es:

Mutarrif erzählte, daß Malik sagte, "Ich sagte zu meiner Mutter, 'Ich gehe und werde Wissen aufschreiben.' Sie sagte, 'Dann komm, und  trage die Kleidung des Wissens', und sie zog mir besondere Kleidung an und legte ein Stück S toff auf meinen Kopf und wickelte dann den Turban darüber. Sie sagte, 'Geh und schreibe nun" "Er, möge Allah sich ihm gnädig zeigen, sagte, "Meine Mutter pflegte mir den Turban umzuwickeln und sagte dann, 'Geh zu Rabi'a und l erne seinen Adab   (spirituelle Höflichkeit) bevor du sein Wissen nimmst.'"

   Islamische Zeitung, 22. Ausgabe

@ Ekrem Yolcu

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