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Zwischen Preussenadler und Hakenkreuz

Islam in Deutschland von 1739 - 1945

Vielen ist die lange Tradition des Islam in Deutschland nicht richtig bewußt. Der folgende Artikel gibt hierzu einen informativen Überblick. Der Untersuchungszeitraum ist beschränkt auf 1739 bis 1945.

Die Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte sind auch an den Muslimen nicht spurlos vorbeigegangen.

1. Deutscher Islam - Islam in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland leben gegenwärtig etwa 3 Millionen Anhänger des Islam. Davon sind ca. 400.000 muslimische Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien (Bosnier bzw. Kosovo-Albaner), ca. 350.000 Araber aus Nordafrika und den Staaten des Mittleren Ostens und ca. 2.100.000 Türkische Muslime von denen wiederum ca. 200.000-400.000 Aleviten sind. Ihre religiösen, kulturellen und sozialen Bedürfnisse sind in den letzten Jahren zu einem gesellschaftspolitischen Problem ersten Ranges geworden, das von den Politikern aller Parteien, von den Gewerkschaften und Kirchen oft sehr kontrovers diskutiert wird. Die deutsche Bevölkerung wird sich verstärkt bewußt, daß die muslimischen Einwanderer größtenteils gläubige Menschen sind, die großen Wert darauf legen, auch in einer von der christlichen Kultur geprägten säkularen Umwelt ihren Glauben zu praktizieren .

Über die augenblicklichen Debatten um die Einordnung der Muslimischen Arbeitnehmer und ihrer Familien wird allzuleicht vergessen, daß die Geschichte des Islam in Deutschland nicht erst zwischen 1965 und 1975 begonnen hat, daß sie vielmehr wesentlich älter ist. Vielen - auch den Kirchen - ist dieses Faktum unbequem. Dennoch: Man kann die Geschichte des Islam in Deutschland zurückverfolgen bis in die Regierungszeit des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I.

Die Geschichte des Islam in Deutschland ist jedoch zu unterscheiden von der Geschichte der deutsch-islamischen Bewegung. Die letztere reicht zurück auf das Jahr 777, als Karl der Große auf dem Reichstag zu Paderborn den vom Emir von Cordoba vertriebenen Statthalter von Saragossa, Sulaiman al-Arabi, empfängt und mit ihm einen Beistandspakt abschließt. Vierzehn Jahre später kommt es dann zu den legendären Beziehungen zwischen den Frankenkaiser und dem Abbasidenkalifen Harun al-Rashid zu Bagdad, den „Herrscher aus Tausend und eine-Nacht“.

Geschichtlicher Abriß

Dagegen beginnt die Geschichte des Islam in Deutschland vor rund 250 Jahren mit jenen zwanzig türkischen „Langen Kerls“, die der Herzog von Kurland dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm dem I. (1713-1740) zur Verfügung gestellt hatte. Der König hatte für sie 1739 in Potsdam einen Saal in der Nähe der neuen Soldatenkirche (Garnisonskirche) am Langen Stall als Moschee herrichten lassen. Er legte großen Wert darauf, daß „seine Mohammedaner“ ihren religiösen Pflichten nachgingen.

Die Geschichte dieser durch königliches Dekret gegründeten Gemeinschaft ist Teil der preußisch-deutschen Geschichte:

1739 zu Potsdam gewissermaßen als „Adoptivkind“ der königlich-preußischen Armee gegründet, durchlief sie viel Stationen bis hin zum Tode von Reichspräsident Paul von Hindenburg im Jahre 1934.

Preußisch-deutsche Muslime als Soldaten in den Feldzügen Friedrich des Großen und in der Schlacht von Preußisch-Eylau am 7. Und 8. Februar 1807 gegen Napoleons Armee, als Kaufleute, Diplomaten, Forscher, Entdecker und Schriftsteller, ausgerüstet mit königlichen Privilegien, stets im Dienste sowohl ihrer deutsche Heimat als auch ihrer Religion Islam. Sie verstanden sich dabei immer und stets auch als „Brücke zwischen Okzident und Orient“.

Diese Tradition lebt; sie hat die Wirren der Nachkriegszeit unbeschadet überstanden. So heißt es in der reformierten Gemeindeverfassung des Islamischen Weltkongresses Deutschland vom 2. Februar 1985 bzw. I4. Juni 1992.

„Der Verein Islamischer Weltkongreß Deutschland ist Rechtsnachfolger des am 31. Oktober 1932 gegründeten und am 31. Mai 1933 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin-Lichterfelde eingetragenen Vereins Islamischer Weltkongreß/Zweigstelle Berlin, der damaligen Spitzenorganisation für alle im Deutschen Reich lebenden Anhänger der islamischen Glaubensgemeinschaft. Damit bekennt sich der Verein Islamischer Weltkongreß Deutschland zur Geschichte, den Traditionen und zum Brauchtum der 1739 durch königliches Dekret zu Potsdam erfolgten ersten islamischen Gemeindegründung auf deutschem Boden, als deren Erbe und Wahrer sich der Verein betrachtet.

Der Verein Islamischer Weltkongreß Deutschland fühlt sich der cami9.gif (123255 Byte)Geschichte des Islam in Deutschland verpflichtet und betrachtet sich als Brücke zwischen Deutschland und der islamischen Welt“.

In den Akten des im Jahre 1927 zu Berlin gegründeten Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland ist der Weg der preußischen und später deutschen islamischen Religionsgemeinschaft in vier Stationen gegliedert worden: 1. bis 4. Gemeindegründung - von 1739 bis exakt 29. August 1985-. Diese Stationen sollen hier skizzenhaft an einigen herausragenden Ereignissen festgehalten werden.

2. Erste Gemeindegründung

Der Rechtsstatus der islamischen Gemeinde im Königreich Preußen gründet sich auf die Zusage des Königs, daß das Haus Hohenzollern „die islamische Religion und ihre Ausübung schützen und die den Muslimischen Untertanen angestammte Lebensform sichern“ werde: also auf ein Königswort.

Als im Juni 1740 dem gerade auf den Thron gelangten Friedrich II. -später „der Große“ genannt- eine Anfrage aus Frankfurt/Oder vorgelegt wurde, ob in der evangelischen Stadt ein Katholik das Bürgerrecht erwerben dürfe, schrieb er an den Rand der Eingabe: „Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sich zu ihnen bekennen, ehrliche Leute sind. Und wenn die Türken (...) kamen und wollten hier im Lande wohnen, dann würden wir ihnen Moscheen (...) bauen“. Unter Friedrich dem Großen kam es zur Aufstellung geschlossener Muslimischer Truppenteile in der preußischen Armee:

* Im Jahre 1745 stieß eine Einheit Muslimischer Reiter, wenn auch auf sehr skurrile Weise zur preußischen Armee. Der noch immer in der Bevölkerung wirksame „Tatarenschrecken“ hatte den feindnachbarlichen Kurfürsten von Sachsen, seinerzeit auch König von Polen, 1744 auf die Idee gebracht, sich dieser Furcht erneut zu bedienen. Er ließ unter den in Ostpolen siedelnden Tataren eine Reiterarmee ausheben, die brandschatzend in Preußen einfallen sollte. Aber es sollte anders kommen. Der sächsische Kammerherr, der im Auftrage seines Kurfürsten die Lohnung für die tatarischen Reiter nach Polen bringen sollte, kam an den Spieltischen von Warschau nicht vorbei und verlor schließlich das ganze Geld. Und schon damals galt: Kein Geld, keine Tataren. Der albanische Juwelenhändler Stefan Sarkis, der sein ganzes Vermögen in Erwartung reicher Beute in ein „Fähnlein Bosniaken“ investiert hatte, bot angesichts der verfahrenen Situation eine Schwadron leichter Lanzenreiter dem König von Preußen an, der genügend Humor besaß und sich auf den Handel einließ. Die Schwadron stand im Regiment von Ruesch (Schwarze Husaren). Nach Friedensschluß ging Sarkis mit seinen Bosniaken, Albanern und Tataren nach Goldap in Ostpreußen in Garnison.

* Im Jahre 1760 trat ein für die Geschichte des Islam in Deutschland folgenreiches Ereignis ein. In der zaristischen Armee verbreitete sich das Gerücht, der Sultankalif plane aus Freundschaft zu Preußen den „Heiligen Krieg“ gegen Rußland auszurufen. Dieses Gerücht hatte unter anderem zur Folge, daß zahlreiche in der russischen Armee dienende Muslimische Soldaten zu den Preußen überliefen. Auf Kabinettsordre vom 20. Januar 1762 wurde aus den Überläufern ein selbständiges „Bosniakenkorps“ (9. Husarenregiment „Bosniaken“) zu 10 Eskadronen (1.000 Mann) errichtet. In den Matrikeln dieser Truppe taucht zum ersten Mal der Name eines preußischen Heeres-lmam auf: Es handelt sich um einen Leutnant Osman, Prediger der „preußischen Mohammedaner“.

* Garnisonsorte der Muslimisch-preußischen Truppen waren Goldap, Lyck, Nikolaiken, Sensburg, Arys, Schirwindt, Johannisburg, Oletzko, Bialla, Stalluponen unter anderen. Die Muslimischen Reiter nahmen an einer Reihe von Gefechten teil, so 1757 bei Groß-Jagersdorf, 1758 bei Zorndorf, 1759 bei Kay, am 8. Juli 1761 bei Lubien, am 21. Juli 1762 bei Burkersdorf und am 16. August desselben Jahres bei Reichenborn. Da die Truppen sich bei Reichenborn mit besonderer Bravour geschlagen hatten, ordnete der König bei der Reduktion von 1763 an daß ein Stamm beibehalten wurde. Wie es in den Urkunden heißt, fanden die Muslimischen Reiter nach der Wiederherstellung des Regiments bei der Revue 1772 „den vollen Beifall des Königs“.

* 1778 nahm das Regiment am Bayerischen Erbfolgekrieg teil.

* Als West Preußen 1772 wie später weitere polnische Gebiete (1793/95) an Preußen fiel, traten die dort lebenden kleinadligen Nachkommen der tatarischen „Goldenen Horde“ gerne bei den preußischen Lanzenreitern ein. Am 23. August 1795 gewährte der König den Tataren Neu-Ostpreußens nicht nur freie Religionsausübung und freien Wohnbezirk, sondern ein Korps Leichte Reiterei. „Als Dissidenten in der polnischen Adelsrepublik nur eben geduldet, dienten die Anhänger des Propheten auch in der Katastrophe von 1806/1807 mit Hingabe einem König, der jede Religion anerkannte und auch schützte“, heißt es dazu in einer Urkunde. Auf Ordre von König Friedrich Wilhelm III. vom 14. Oktober 1799 wurde das Bosniakenregiment in ein aus den Muslimischen Kleinen Edelleuten (Oghlanis) von Neu-Ost Preußen bestehendes Regiment „Towarczy“ (Kameraden) umgewandelt und 1807 in ein Regiment Ulanen (von Oghlani = Edelknabe/Junker).

* Am 7. und 8. Februar 1807 erlitt Napoleons Armee bei Preußisch-Eylau die einzige Niederlage im preußisch-französischen Krieg. Ihr gegenüber standen auch die Muslimischen Einheiten. Die Tapferkeit der Truppe war nach den vorliegenden Berichten aus jener Zeit motiviert, weil sie „ihrem König für die Sicherung ihrer angestammten Lebensformen und die ihnen gewährte Religions- und Glaubensfreiheit danken wollten“.

* 1808 wurde das Muslimische Regiment geteilt. Es entstanden das Ulanenregiment Kaiser Alexander lll. von Rußland (Westpreußisches Nr. 1) und das Ulanenregiment von Katzler (Schlesisches Nr. 2). Damit endet die Geschichte der Muslimischen Truppen der preußischen Armee, wenngleich in beiden Ulanenregimentern die Tradition der „Bosniaken und „Towarczy’s” bis zum Jahre 1919 fortlebte. So trugen die Ulanen auf ihren Lederhelmen den „Tszhapka“, eine stilisierte tatarische Gebetskappe.

* In den letzten Jahren seines Bestehens war das Regiment „Towarczy“ was die Religionszugehörigkeit seiner Soldaten anging, eine „ökumenische Truppe“. Von den 1320 Regimentsangehörigen waren 1220 Muslime und 100 Christen.

* Die Vorfahren der preußischen Oghlanis waren aus der Tatarei geflohen, als es im 14. Jahrhundert zu Kämpfen zwischen Timur und der Goldenen Horde kam. Sie hatten sich in Ostpolen niedergelassen und 1410 auf polnischer Seite an der Schlacht gegen den Deutschen Orden bei Tannenberg teilgenommen. Ihre Nachfahren leben heute noch in den Dörfern Bohomiki und Kruszyniany in den Wojewodschaften Bialystok und Zielona Gora.

* Der erste islamische Grundbesitz auf deutschem Boden war ein Friedhof. Als am 29. Oktober 1798 der türkische Gesandte und Botschafter am Berliner Hof, Ali-Aziz-Effendi starb, erwarb König Friedrich Wilhelm lll. vom Grafen Podewils ein Gelände in der Hasenheide (Blucherstraße), das als Gräberfeld dienen sollte. Eigentümer dieses Friedhofes war von Anfang an das Osmanische Reich.

* Der Bau der Kaserne des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2 erforderte im Jahre 1866 eine Verlegung des Begräbnisplatzes. Seither befindet sich der „Türkische Friedhof“ gegenüber dem „Dennewitz-Friedhof“ am Columbiadamm. Inmitten des Gräberfeldes erhebt sich eine kulturhistorisch wertvolle Türbe: eine acht Meter hohe halbmondgekrönte Gedenksäule, ein Geschenk des Sultankalifen Abdul Hamid ll. Khan.

Vor dieser ersten islamischen Gemeindegründung auf deutschem Boden ist das Schicksal der türkischen Kriegsgefangenen aus den Jahren 1686 bis 1698 anzusiedeln. Ihre Zahl ging in die Tausende. Aber wir wissen über sie kaum etwas oder nur sehr wenig. 1964 veröffentlichte der deutsche Orientalist Otto Spieß einen Aufsatz zu diesem Thema, in dem es heißt, unter den Gefangenen sei es zu Konversionen zum Christentum gekommen. Diese Türken seien schließlich ganz im deutschen Volkstum aufgegangen und hatten sich in Franken, Bayern, Sachsen und in Niederdeutschland niedergelassen. Gleichwohl seien die meisten Gefangenen ihrem islamischen Glauben treugeblieben und später in ihre Heimatländern zurückgekehrt.

In diesem Zusammenhang muß auch die sogenannte „Rote Moschee“ im Schloßpark zu Schwetzingen erwähnt werden. Sie war von 1780 bis 1785 im Auftrage des pfälzischen Kurfürsten Carl- Theodor als Mittelpunkt eines „Türkischen Gartens“ erbaut worden. Wenngleich nicht als Sakralbau konzipiert, wurde sie dennoch nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 von Kriegsgefangenen Zuaven und Türkos, die in einem Lazarett in Schwetzingen gesundgepflegt wurden, dankbar als Gebetsstätte angenommen.

* Kaiser Wilhelm II. hatte am 8. November 1898 am Grabe Saladin des Großen in Damaskus gegenüber dem Sultankalifen erklärt: „Möge seine Majestät der Sultan und die 300 Millionen Mohammedaner, welche auf der Erde verstreut leben und in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der Deutsche Kaiser ihr Freund sein wird“. Als dann im Jahre 19I4 in Wunsdorf bei Zossen, nahe Berlin, ein „Mohammedanisches Gefangenenlager“ angelegt wurde, löste der Kaiser sein Versprechen ein. Im Winter 1914 ließ er eine Moschee für die Gefangenen bauen, die mit einem 23 Meter hohen Minarett versehen war. Für die in der Gefangenschaft verstorbenen Muslime wurde eine Wegstunde von Zossen entfernt, in Zehrendorf, ein Soldatenfriedhof angelegt, auf dem sich das einzige Mohammaddenkmal der Welt befand.

* Der Friedhof liegt heute inmitten eines Panzerübungsgebietes der GUS-Streitkräfte. Die Gräber und Grabbauten sind von den übenden Panzern niedergewalzt und zerstört worden. Das Lager wurde 1922 aufgelöst, nachdem es mehrere Jahre russischen Muslimischen Emigranten als erste Zufluchtsstätte gedient hatte. Auch bei ihnen hatte es sich mehrheitlich um Angehörige tatarischer Stämme gehandelt.

3. Zweite Gemeindegründung

Die Wunsdorfer Moschee diente nach dem Ersten Weltkrieg den Berliner Muslimen als erste Gebetsstätte. In der damaligen Reichshauptstadt lebten Angehörige des Islam aus 41 Nationen. Sie hatten sich 1922 zur „Islamischen Gemeinde Berlin“ zusammengeschlossen. 1924 mußte schließlich die aus HOLZ gebaute Wunsdorfer Moschee wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Sie wurde 1925/26 abgebrochen.

* Von organisiertem islamischen Gemeindeleben in Deutschland kann man vom Jahre 1922 an sprechen, als der indische Imam Maulana Sadr-ud-Din aus Lahore in Berlin-Charlottenburg eine deutsche Muslimgemeinde gründete. Zwei Jahre später konnte diese Gemeinde in Berlin-Wilmersdorf eine Moschee eröffnen, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945, Mittelpunkt des islamischen Lebens in Deutschland und auch für die Länder Ost- und Südosteuropas sein sollte. Ab dem Jahre 1930 führte die Moscheegemeinde den Namen „Deutsch-Muslimische Gesellschaft. Mit dieser Umbenennung war gleichzeitig ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Programm verbunden: Die neue Gemeinschaft nahm auch Christen als Mitglieder auf.

* Ebenfalls in Berlin wurde im Jahre 1927 das Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland gegründet, das heute in Soest seinen Sitz hat. 1942 erhielt das Archiv den Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins. Das Zentralinstitut ist nach wie vor die einzige unabhängige islamische Einrichtung im deutschsprachigen Raum.

* Im Jahre 1932 entstanden schließlich zwei weitere islamische Institutionen in Berlin, die heute ebenfalls noch bestehen:

a) am 31. Oktober 1932 gründeten 60 Muslimische Flüchtlinge aus der Sowjetunion gemeinsam mit deutschen Muslime eine deutsche Sektion des islamischen Weltkongresses, unter deren Dach sich am 27 Mai 1933 alle Muslimischen Vereinigungen im damaligen Deutschen Reich zusammenschlossen;

b) die deutsche Sektion des Islamischen Weltkongresses richtete mit einem „Islam-Kolloquium“ die erste Muslimische Bildungseinrichtung auf deutschem Boden ein, der auch die Erteilung eines islamischen Religionsunterrichtes an Muslimische Kinder übertragen wurde. Das Islam-Kolloquium ist heute Teil des Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland.

Zum Islam bekannten sich in jenen Jahren etwa 300 Deutsche. Die Gesamtzahl der Muslime belief sich auf rund 1000. Zum Vergleich: In der preußischen Armee hatten ständig bis zu 1500 Soldaten islamischen Glaubens gedient.

Viele deutsche Muslime sind im Zweiten Weltkrieg gefallen, andere blieben verschollen. Viele der Überlebenden wanderten ins islamische Ausland ab, andere resignierten und zogen sich aus dem bekennenden Gemeindeleben zurück. Vorsichtige Erhebungen um das Jahr 1947/48 sprechen von rund 150 deutschen Islamanhängern; davon rund 50 in Mitteldeutschland.

4. Muslime unterm Hakenkreuz

Islam - Archiv schließt letzte Lücken

In diesen Tagen konnten im Hauptarchiv des Zentralinstituts in Socat die letzten Urkundenlücken geschlossen werden. Dabei handelte es sich um Jahrgänge von 1933 bis 1945. Jeder von uns, der daran gearbeitet hatte , war besonders gespannt auf die uns zugänglich gemachten Situationsbeschreibungen aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Nun soll hier den endgültigen Ergebnissen der Sichtung der etwa 3.000 Dokumente vorgegriffen werden. Jedoch kann bereits heute folgendes gesagt werden:

* Im Deutschen Reich lebten seinerzeit rund 3000 Muslime ; davon waren etwa 260 bis 300 deutschstämmig.

* Die größte islamische Vereinigung war seinerzeit mit 167 Mitgliedern die “islamische Gemeinde zu Berlin”, gefolgt von der “Deutsch-Muslimischen Gesellschaft” mit 48 Mitgliedern und vom “Islamischen Weltkongreß” mit 39 Mitgliedern.

* An Gemeinschaften bestanden damals die “islamische Gemeinde zu Berlin”, der “Islamische Weltkongreß”, die Deutsch-Muslimische Gesellschaft”, die “Sufi-Bewegung”, der “Verein für islamische Gottesverehrung”, die “Ahmadiyya-Mission” (Qadian), eine Reihe von Studentengemeinden, muslimischer Landsmannschaften aus Osteuropa und Zentralasien sowie einige arabische politische Parteien wie etwa die “Ägyptische Nationalpartei”.

Zu den politischen Einstellungen kann gesagt werden :

* Die Muslime , die aus den britischen und französischen Kolonien nach Deutschland gekommen waren, standen dem Nationalsozialismus positiv gegenüber. Sie sahen in ihm einen natürlichen Verbündeten im Kampf um die Befreiung ihrer Völker von der Kolonialherrschaft;

* Zu dieser Gruppe kann auch die im damaligen Indien ansässige Ahmadiyya-Anjuman-i-Ishaat-i-Islam gerechnet werden;

* Die ab 1941/42 in der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS dienenden muslimischen Soldaten aus Südosteuropa, Osteuropa und Zentralasien hatten sich deshalb anwerben lassen , weil ihnen versprochen worden war, sie würden zur Befreiung ihrer unterjochten Heimatländer eingesetzt; 1

* Die Mehrheit der deutschstämmigen Muslime hat sich mit der Ideologie der NSDAP nie anzufreunden vermocht. Die deutschstämmigen Muslime wurden ständig von der Gestapo überprüft und beobachtet;

* Eigentliche Opfer der Rassenideologie waren die den Islam bekennenden “Weißen Zigeuner” aus Bosnien. Die teilten größtenteils das Schicksal der Juden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb der seinerzeit in Damaskus lebende Dr. Mohammed Raschid el-Kuzbari über die Muslime und die Juden in Deutschland zwischen 1933 und 1945 u.a. :

“Eines der scheußlichsten Kapitel innerhalb der europäischen Zivilisation ist die Ausrottung von etwa sechs Millionen Juden während der Jahre von 1933 bis 1945...Die Geschichte der Juden in Europa war ein einziger Leidensweg....”

Ein Beispiel für die Lage, in der sich die deutschstämmigen Muslime im Dritten Reich befanden, vermag ein Brief der Reichsleitung der NSDAP vom 13. April 1937 an den Polizeipräsidenten in Berlin zu vermitteln. Dort heißt es :

“In der oben bezeichneten Angelegenheit teilen wir ihnen mit, daß sich die Gesellschaft (Deutsch-Muslimische Gesellschaft, d. Red.) aus Angehörigen der verschiedensten Rassen und Völker zusammensetzt. Die Zusammenkünfte finden meist in zwangloser Form statt. Besucher sollen vor allem Professoren, ehemalige Offiziere usw. sein. Bei diesen Zusammenkünften sollen , sofern die Teilnehmer glauben unter sich zu sein, abfällige Bemerkungen über den Nationalsozialismus und seine Führer gemacht werden. Es handelt sich bei der Gesellschaft mehr oder weniger um einen Unterschlupf für reaktionäre Elemente.

Im übrigen gehören mehrere Juden zur Gesellschaft. Die Gesellschaft war insbesondere in den Jahren 1933/34 Unterschlupf und Absteigequartier für Kurfürstendammjuden. Gegen das Weiterbestehen der oben bezeichneten Gesellschaft bestehen demzufolge hier erhebliche Bedenken., sowohl in formaler als auch in weltanschaulich-politischer Hinsicht. Die uns übersandten Unterlagen - 1 Band Akten Nr. 8769 sowie die Satzungen- erhalten Sie anliegend wieder zurück. Heil Hitler!

I.V. Schäfer”.

Bereits am 10. April 1934 wurde die Reichsregierung von Übertritten deutscher Juden zum Islam unterrichtet. Der Text lautet :

“Die persische Zeitung `Schafagh-es-Sorkh` meldet, daß vier Deutsche nach dem Studium der verschiedenen Religionen sich für den Islam entschieden und die nötigen Schritte unternommen hätten, um in diese Religionsgemeinschaft einzutreten. Nach den weiteren Angaben der Zeitung handelt es sich um die aus Vater, Mutter und zwei Kindern bestehende Familie Süßmann...Herr Süßmann war bisher Jude. Er hat mit seiner Konvertierung den klassischen alten persischen Namen Shapour angenommen.

gez. von Blücher” (ZI IAD Dok. II/0-4,2. Gmdgr.).

Das Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland (seinerzeit “Islamisches Zentralinstitut”) war zumindest ab 1942 von der Propaganda der NSDAP instrumentalisiert worden. Zwar beliefen sich die seinerzeitigen Betreiber ausdrücklich darauf, daß das Institut ganz im Sinne seines Gründers aus dem Jahre 1927 weiterarbeiten werde, eingelöst wurde dieses Versprechen jedoch erst nach dem Wiederaufbau in Saarbrücken und Soest ab dem Jahre 1962.Die Geschichte des Islam im Dritten Reich offenbart, daß die damals hier lebenden Anhänger des Islam das Schicksal der einheimischen Bevölkerung voll geteilt haben. Das Spektrum reicht von bedingungsloser der NS-Politik, von Mitläufern bis zum passiven Widerstand , von Ablehnung bis Anbiederung. Bliebe letzlich noch zu erwähnen , daß die mit großen Versprechungen angeworbenen Soldaten islamischen Glaubens einen hohen Blutzoll entrichtet haben, zumal die Mehrheit von ihnen nach der Kapitulation 1945 von den Briten an die Sowjets ausgeliefert und damit in den sicheren Tod getrieben worden waren.

Über das Schicksal der muslimischen Roma in deutschen Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkrieges ist nur wenig bekannt. Dieses Thema war bis heute sowohl für die deutsche als auch für die ehemalige jugoslawische Seite tabu. Unser Institut wurde nun mit der Abfassung einer Studie betraut, die dieses Tabu durchbrechen soll. Mit der Studie soll aber auch den ermordeten “ Weißen Zigeunern” - wie die Roma muslimischen Glaubens genannt wurden - ein Denkmal gesetzt werden.

Wir sind dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma sehr dankbar für die Bereitschaft , unsere Arbeit zu unterstützen. In einem Schreiben vom 2. Januar 1995 heißt es unter anderem: “ Leider enthält das von unserer Einrichtung herausgegebene Gedenkbuch `Die Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau` keine Hinweise auf die Religionszugehörigkeit der inhaftierten und ermordeten Roma, allerdings ist auch uns bekannt, daß sich darunter wohl auch muslimische Roma befanden”. Ganz am Anfang unserer Dokumentierung können wir von folgenden erstaunlichen Fakten ausgehen:

* Während des Zweiten Weltkrieges hat sich der damalige Ra’is al-Ulama von Jugoslawien, Fehim Efendi Spaho, für die Roma eingesetzt. Durch seine persönliche Intervention bei der deutschen Besatzungsmacht gelang es ihm, die Roma weitgehend vor der Vernichtung in den Konzentrationslagern zu bewahren;

* Im Kosovo wurden die Roma gezwungen, gelbe Armbinden zu tragen und Zwangsarbeiten zu verrichten. Die Muslime unter ihnen konnten in der Anfangszeit relativ geschützt leben. Da die Roma im Kosovo nicht als Randgruppe sondern integriert lebten, wurden sie von der übrigen Bevölkerung vor Deportationen und Erschießungen immer wieder geschützt. Nach Mitrovica, wo ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung Roma waren, kamen am 6. Mai 1942 SS-Tuppen mit Lastwagen und requirierten alle Schafe. Später wurde der Befehl zur Festnahme der Roma gegeben, der durch die Verzögerungstaktik der lokalen Polizei nicht sofort durchgeführt wurde. Im Spätsommer 1942 wurden 300 Roma in Mitrovica zur Zwangsarbeit verpflichtet. Sie mußten zu Fuß mehrere hundert Kilometer für die deutschen Truppen Schafe und anderes Vieh nach Griechenland treiben. Einige konnten flüchten. Zusätzlich wurden die Roma von bewaffneten Einheiten der faschistischen albanischen “ Balli kombetar “ verfolgt.Als die deutschen Truppen im Herbst 1943 Teile der ehemals italienisch besetzten Gebiete Jugoslawiens einnahmen, setzten sie ihre Vernichtungspolitik gegen die Roma auch dort fort. Roma wurden in Konzentrationslager in Jugoslawien eingewiesen, aber auch in Buchenwald, Mauthausen und in andere Konzentrationslager im Deutschen Reich deportiert;

* Hohe islamische Würdenträger in Bulgarien haben sich aktiv gegen die Deportation von Juden, Sinti und Roma gewandt.

Das Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland ist für jeden Hinweis dankbar, der uns bei unseren Untersuchungen unterstützen könnte.

Quelle:  Dunia-Hochschulzeitschrift

by Muhammed Faruk

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