In der Glaubenspraxis der
Muslime haben die "fünf Säulen" eine zentrale Bedeutung.
Neben dem Bekenntnis des Einen Gottes und seiner Propheten, an deren abschließender
Stelle Muhammad steht, Friede sei mit ihnen allen, dem
Gebet, der sozial-religiösen Pflichtabgabe Zakat, ist dies an vierter Stelle das
Fastengebot im Monat Ramadan. Die fünfte Säule bildet die Pilgerfahrt nach
Mekka, die bei Gesundheit und ausreichenden finanziellen Mitteln einmal im Leben sollte.
Wird der Ramadan im Koran erwähnt?
Ja, besonders in der zweiten Sure, Vers 183 bis 187.
Wann ist Ramadan?
Das islamische Jahr ist ein Mondjahr und damit um ca. 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr.
Von Jahr zu Jahr verschiebt er sich um diese Anzahl von Tagen
nach hinten. Darum kann der Ramadan in allen Jahreszeiten liegen. Der Beginn und das Ende
wird durch Sichtung der schmalen Mondsichel am Himmel bestimmt.
2001 dürfte Ramadan am 16. oder 17. November beginnen und dann nach einem Mondmonat
enden. So liegt der erste Feiertag möglicherweise auf einem Sonntag, dem 16.
Dezember. Muslimische SchülerInnen sind am islamischen Feiertag aber ohnehin vom
Unterricht befreit.
Wie wird gefastet?
Von Morgendämmerung bis Sonnenuntergang halten praktizierende Muslime ein Fasten, das
Enthaltung von Essen und Trinken bedeutet. Momentan ist das Fasten nur ca. elf Stunden
lang, da die Tage so kurz sind.
Aber überhaupt nichts zu trinken kann doch nicht gesund sein?
So wie man sich in den Abend- und Nachtstunden mit Essen stärkt, versorgt man den Körper
auch mit ausreichender Flüssigkeit in Vorbereitung auf das Fasten tagsüber. Beklagen
viele Mediziner die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme aus Nachlässigkeit, ist gerade
der Ramadan eine Gelegenheit sehr bewusst die empfohlene Menge von mehr als 2 Litern
täglich einzuhalten.
Und nach dem Fasten stopft man Mengen von Essen in sich hinein?
Das Fasten soll den Wert gesunder Nahrung bewusst machen und damit für einen
vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln sensibilisieren. Der Körper verlangt nach dem
Fasten nach verträglichen Speisen und ist gar nicht in der Lage, übermäßige Mengen
aufzunehmen. Völlerei wäre nicht im Sinne des Islam, da Fasten auch als
sozialer Akt der Solidarität mit Bedürftigen verstanden wird.
Gibt es spezielle Fastenspeisen?
Nach dem Vorbild des Propheten Muhammad brechen viele Muslime ihr Fasten mit einigen
Datteln und einem Glas Wasser oder Milch, ehe sie später zu Tisch gehen. Von Region zu
Region gibt es Spezialitäten, die vor allem im Ramadan Saison haben, weil sie viel
Flüssigkeit enthalten und leicht verdaulich sind. Prinzipiell sind alle vom Islam
als "halal", also "rein" eingestuften Nahrungsmittel auch während der
Fastenzeit zugelassen, da sich der Mensch der Gaben Gottes dankbar erfreuen soll.
Und was ist "halal"?
Es gilt das bekannte islamische Rechtsprinzip: "Was nicht verboten ist, ist
erlaubt." Ausdrücklich untersagt sind der Verzehr von Schweinefleisch, Blut und
Verendetem, sowie Alkohol.
Ich höre immer, dass das Fastenbrechen zu großen
Gelagen mit vielen Gästen gerät?
Gastfreundschaft wird gerade im Ramadan hochgehalten. Wird für eine große Anzahl
Personen gekocht, bietet man oft eine größere Auswahl von Speisen an. Sicher kann man
kritisch anmerken, dass es dabei nicht zu übertriebener Luxusentfaltung kommen soll.
Fasten alle Muslime?
Vom Fastengebot ausgenommen sind Kinder, Reisende, Frauen im Wochenbett oder während
ihrer Menstruation. Alle Menschen, für die das Fasten gesundheitlich unmöglich oder
nicht zuträglich wäre, sind befreit. Darunter fallen zum Beispiel Kranke, ältere
Menschen, Schwangere, aber unter Umständen auch Menschen mit körperlich sehr
anstrengenden Berufen. Die Gewissensentscheidung liegt beim Einzelnen. Der Körper gilt
als ein so hohes Gut, dass man ihn nach Kräften durch einen
verantwortungsvollen Umgang pflegen soll. "Gott will es den Menschen leicht
machen." - ist eine koranische Aussage, die zusätzlich vor übertriebenen
Kasteiungen bewahren soll.
Aber bei mir in der Volksschule fasten schon einige Kinder! Für Kinder ist die
Ramadanzeit ein Erlebnis, denn es herrscht eine besondere, im Idealfall sehr ausgeglichene
und fröhliche Stimmung. Oft möchten sie dem Beispiel der Erwachsenen nacheifern
und schon mitfasten. Tatsächlich sollen Kinder schrittweise an das Fasten herangeführt
werden. Von Familie zu Familie kann variieren, wie das geschieht. Da wird die eine
oder andere Mahlzeit ausgelassen, bis ein ganzer Fastentag erreicht ist. Natürlich ist
auch die Konstitution der Kinder zu berücksichtigen. Die meisten Kinder aber
schätzen sich selbst sehr gut ein und profitieren davon, so ganz bewusst mit
Nahrung umzugehen.
Ich finde schade, dass ich gar nicht weiß, ob die
muslimischen Kinder in meiner Klasse fasten... Mitunter trifft man seitens Muslimen auf
die Befürchtung, dass das Fasten auf Unverständnis oder Ablehnung stoßen könnte. Darum
versuchen manche muslimischen SchülerInnen kein Aufhebens davon zu machen und dies vor
KlassenkollegInnen und LehrerInnen eher zu verbergen. Solche Dinge offen
anzusprechen kann aber beiden Seiten nur nützen. Das muslimische Kind gerät nicht in
Verlegenheit, wird ihm etwas zu essen angeboten, die Lehrkraft weiß die
Situation besser einzuschätzen.
Und wann wird das Fasten dann Pflicht?
Mit Erreichen der Pubertät, dem Zeitpunkt von dem ab der Heranwachsende als religiös
mündig gilt.
Wie ergeht es Berufstätigen mit dem Fasten?
Während der Fastenzeit soll man seinen Alltag nach Kräften genauso meistern und mit dem
gleichen Elan arbeiten wie sonst auch, denn Fasten soll nicht zu Müßiggang führen,
sondern im Gegenteil zu Konzentration in aller Aktivität. Viele Berufstätige sind noch
unterwegs, wenn die Dämmerung einsetzt und können nicht gleich zu Hause essen. Zum
Fastenbrechen nehmen sie dann oft einfach ein paar Datteln zu sich, bis es Gelegenheit
für eine größere Mahlzeit gibt.
Gibt es eine Ersatzleistung, wenn man nicht fastet?
Alle erwachsenen Menschen, die das Fasten versäumen, sollen die Anzahl der nicht
gefasteten Tage im Laufe des Jahres nachholen. Wem das aus gesundheitlichen Gründen nicht
möglich ist, der kann für jeden nicht gefasteten Tag einen Bedürftigen mit
Nahrungsmitteln für einen Tag versorgen. Dies kann auch eine finanzielle Leistung sein.
Dann hat der Ramadan also einen sozialen Aspekt?
Natürlich! Beim Fastenden wird ein Solidaritätsgefühl mit den Menschen geweckt, für
die der Zugang zu Nahrung immer schwierig ist. Das soll auch dazu
anspornen, gerade in diesem Monat freigiebig zu sein und unabhängig von der
vorgeschriebenen Zakat (Pflichtabgabe von 2,5 % des stehenden Vermögens jährlich an
selbst zu bestimmende Bedürftige) Spenden an Arme zu geben. Vor dem Ende
des Monats muss die sogenannte "Zakat al fitr" bezahlt werden, sonst wäre
das Fasten nicht vollständig. Dieser Betrag geht auch an caritative Zwecke. Pro
Kopf in der Familie muss der Gegenwert für eine Mahlzeit geleistet werden.
Man soll dabei das geben, was auch dem eigenen Lebensstandard entspricht. Wenigstens am
Feiertag soll kein Mensch in der Gesellschaft Hunger leiden
müssen. Das hat auch etwas mit dem Anspruch des Islam zu tun, soziale Gerechtigkeit
verwirklicht sehen zu wollen.
Und wohin geben die Muslime hier in Österreich ihre Spendengelder?
Jede der ca. 50 Gebetsstätten allein in Wien bietet zum Fastenbrechen ein Gratismenu für
alle an, die sich nur einfinden. Das Geld dazu stammt aus
solchen Spenden. Daneben soll man im Islam schauen, wo in unmittelbarer Umgebung Hilfe
gebraucht wird und dort möglichst unauffällig Unterstützung gewähren. Denn aus
dem eigenen sozialen Engagement eine Show zu machen, könnte die gute Absicht in Frage
stellen.
Viele Muslime geben aber auch Geld in Länder, wo Hilfe dringend gebraucht wird und aus
denen sie vielleicht ursprünglich stammen, so dass es vielleicht sogar persönliche
Kontakte gibt und die Hilfe direkt ankommt.
In den Gebetsräumen ist dann im Ramadan mehr los?
Ja, man kommt auch zu einem speziellen Gebet in der Dunkelheit zusammen. Dies wird oft so
gestaltet, dass über den Ramadan hinweg während dieses Gebets der in dreißig
Abschnitte geteilte Koran durch den Imam, den Vorbeter, mit schöner Stimme kunstvoll
rezitiert wird. Manche Leute halten während der letzten zehn Nächte eine besondere
Andacht, zu der sie die Moschee gar nicht verlassen.
Und die Frauen?
Die Moschee ist prinzipiell ein Ort für Frauen und Männer. Die Frauen nehmen gerade am
Gebet im Ramadan zur späten Abendzeit gerne teil. Und wenn sie zum Beispiel wegen
kleiner Kinder zu Hause bleiben, so treffen sie sich doch nach Möglichkeit untereinander.
Dann kann auch eine Frau die
Vorbeterinnenrolle übernehmen.
Liegt ein besonderes spirituelles Erlebnis im Ramadan?
Der Ramadan gilt als "Monat des Koran", weil die erste Offenbarung an den
Propheten Muhammad im Ramadan erging. Einige Nächte, besonders die "Nacht der
Allmacht", von der man nur weiß, dass sie im letzten Drittel des Ramadan liegt,
gelten als besonders segensreich. So bemüht man sich um ein
intensives Koranstudium und darum, den Koran wenigstens einmal ganz durchzulesen. Die
Fastenzeit macht besonders empfänglich dafür, sich Zeit zum Innehalten zu nehmen.
Meint "Islam" Frieden finden und fördern zwischen sich und Gott und zwischen
sich und den Menschen, so ist diese Zeit besonders reich, wieder ein Stück
auf diesem Weg zu gehen.
Und ist das Verhältnis zu anderen Menschen im Ramadan dadurch ein anderes?
Vielleicht ein bewussteres. Denn das Fasten würde seinen Wert verlieren, wenn man
gleichzeitig etwa schlechte Nachrede im Mund führen würde, im
Umgang ungeduldig ist oder sich zu Streit herausfordern lässt. Gibt es im Ramadan
noch
etwas, was man im Verhältnis zu einem anderen Menschen gerne bereinigen würde, so ist
jetzt ein besonders willkommener Zeitpunkt. Der Ramadan gilt auch als Monat der
Versöhnung.
Aber wenn der Ramadan vorbei ist, dann gibt es ein Freudenfest, dass alles überstanden
ist?
Ein Fest schon und auch aus Freude - in der Zuversicht, dass Gott das Fasten annehmen
möge. Viele Muslime sind aber auch ein wenig wehmütig, weil die besondere Stimmung des
Ramadan nun zu Ende geht. Man sagt ja, dass der Ramadan
auch ein Motor für das übrige Jahr sein soll, sich mit sich selbst und seiner
Umwelt im reinen zu finden.
Und wie wird gefeiert?
Das Fest nach Ramadan, arabisch Eid, türkisch und bosnisch Bayram, heißt manchersorts
auch "Zuckerlfest", weil vor allem die Frauen die Taschen
voller Zuckerln haben, um alle Kinder damit beschenken zu können. Der familiäre
Charakter ist ganz wichtig. Kinder dürfen sich über neue
Kleidung freuen, bekommen ein Extra-Taschengeld, um sich kleine Wünsche erfüllen
zu können oder die Eltern haben Geschenke vorbereitet. Viele Männer
beschenken auch ihre Frau mit neuem Gewand oder bereiten ihr eine andere Freude.
Anschaffungen werden gerne jetzt getätigt. Verwandtenbesuche sind am ersten Tag
üblich, am zweiten besucht man sich im Bekannten- und Freundeskreis. Die festlich
hergerichteten Wohnungen stehen zu den Feiertagen weit offen, weil immer wieder auch
überraschend Besucher vorbeikommen können.
Eine religiöse Feier gibt es auch?
Ganz in der Früh findet ein Gebet in der Moschee statt, zu dem die Familien
zusammenkommen. Dieses Gemeinschaftsgebet wird möglichst zentral und allgemein gehalten.
Die kleineren Gebetsräumlichkeiten haben daher für
diesen Anlass geschlossen, damit sich alle zusammenfinden. Bei schönem Wetter liegen
manchmal sogar die Gebetsteppiche im Freien, um allen Menschen Platz bieten zu
können. Wieder kann man daran erinnern, dass das Fest in verschiedenen Jahreszeiten
liegen kann und seinen Charakter so nicht unbedingt aus der jahreszeitlichen Stimmung
gewinnt. Das ist auch von den Sprachen her ein buntes Gemisch, denn Menschen vieler
verschiedener Ursprungsländer treffen sich. Dabei wächst die Gruppe der sogenannten
zweiten und dritten Generation ständig. Deutsch ist so immer selbstverständlicher die
gemeinsame Sprache.
von:
Carla Amina Baghajati
Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen
Medienreferat der Islamischen Religionsgemeinde Wien
@Ekrem Yolcu |