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Kinder im Krieg

Verletzt, verwaist und verlassen 

© AFP

Für die Militärs ein "Kolateralschaden": Ein Iraker mit seiner verwundeten Tochter im Krankenhaus von Hilla etwa 100 Kilometer südlich von Bagdad.

Ein verwaistes vierjähriges Mädchen in den Armen eines Sanitäters. Ein fünf Monate altes Baby mit zerfetztem Fuß auf einem Operationstisch. Ein wenige Tage alter Säugling verlassen in einer Hütte: Die verletzten, verwaisten und zurückgelassenen Kinder Iraks sind seit Tagen auf den Titelseiten von Zeitungen und auf den Fernsehschirmen der Welt zu sehen. Der Schrecken und die Angst in ihren Augen zeugen von dem hohen Preis, den sie für den Krieg der Erwachsenen zahlen.

 


Fast rund um die Uhr sind auf manchen Kanälen Bilder zu sehen, wie ausgehungerte Jungen und Mädchen die alliierten Streitkräfte um Essen anbetteln. Auf der Flucht mit ihren Familien schleppen sie ihr Hab und Gut in Säcken mit sich, die kaum leichter sind als sie selbst. Die internationalen Hilfsorganisationen verfolgen die Lage mit größter Sorge, haben sie doch in Kriegszeiten kaum die Möglichkeit, den Not Leidenden zu helfen. "Wir sind sehr beunruhigt", sagt UNICEF-Sprecher Geoffrey Keele, dessen Organisation zu Kriegsbeginn aus Bagdad ins benachbarte Jordanien fliehen musste und jetzt auf die Erlaubnis zur Rückkehr wartet.

Kaum Hilfe derzeit möglich
In Südirak, etwa in der Umgebung der Stadt Basra, ist es irakischen Mitarbeitern des UN-Kinderhilfswerks immerhin möglich, für Trinkwasser zu sorgen und die bei den Angriffen zerstörte Stromversorgung wieder aufzubauen. Von dort aus gelang es laut Keele auch, Lebensmittel und Decken für behinderte und verlassene Kinder nach Bagdad zu liefern. Doch mehr Hilfe ist derzeit nicht möglich.

In der irakischen Hauptstadt beruhigen Eltern ihre verängstigten Kinder in dem Bombennächten mit Schlaftabletten. In den Apotheken sind die Valium-Vorräte laut Medienberichten inzwischen aufgebraucht. An einen geordneten Schulunterricht ist längst nicht mehr zu denken. "Ihnen (den Kindern) bleibt nichts anderes übrig, als dem Krieg zuzuhören", sagt Keele. "Sie sind traumatisiert. Es ist klar, dass die Bombardements ihre Psyche angreifen."

Fast jeder dritte Minderjährige unterernährt
Hinzu kommen vor allem im Süden des Landes dramatische Gesundheitsrisiken. Schmutziges Wasser wird für mehrere Ausbrüche der Cholera-Seuche verantwortlich gemacht, die vor allem für Kinder verheerend sein kann. In den Flüchtlingslagern ist Durchfall weit verbreitet, der häufig zu schwerer Austrocknung und manchmal zum Tod führt.

Die Mädchen und Jungen in Irak sind seit langem an Leid gewöhnt. Das Land hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt. Nach Angaben von Hilfsorganisationen ist fast die Hälfte der Bevölkerung jünger als 15 Jahre. Rund 30 Prozent der Minderjährigen leiden an Unterernährung - ein Zustand, der sich bis zur vollständigen Wiederaufnahme der Hilfsmaßnahmen nur noch verschlechtern wird.

Kinder am Kontrollpunkt erschossen
Doch auch von den Kämpfen bleiben die Kinder nicht verschont. Erst am Montag wurden laut Augenzeugenberichten an einem Kontrollpunkt nahe der Stadt Nadschaf fünf Kleinkinder unter fünf Jahren von den US-Streitkräften erschossen. Das US-Oberkommando Mitte sprach von sieben getöteten Frauen und Kindern und erklärte, die Fahrerin eines Kleinbusses habe einen Befehl zum Anhalten nicht befolgt.

An einer der wichtigsten Zufahrtsstraßen nach Bagdad wurden US-Soldaten nach eigenen Angaben beschossen, als sie verletzte Kinder retten wollten, darunter eines, das ein Bein verloren hatte. "Die Iraker haben auf uns gefeuert, während wir verwundete Kinder in unseren Hubschrauber einluden", sagte ein Major der US-Marine. "Und nicht nur dass, wir waren auch gerade dabei, ihre verletzten Soldaten einzuladen."

Deborah Hastings 

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