Afrika: "Tunnelblick auf den Irak?"
Dilemma der Not: Weltöffentlichkeit verdrängt Afrikas
Hungerkrisen
(ips)Die
bittere Ironie macht keine Schlagzeilen. Da steckt US-Präsident Bush Milliarden Dollar in
einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak, während auf dem afrikanischen Kontinent
mehr als 40 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind. Hilfsorganisationen warnen vor
den Folgen eines Tunnelblicks, der die größte Bedrohung der Menschheit ausblendet.Auch
wenn sich der UN-Sicherheitsrat, selten genug, Anfang der Woche mit Nothilfemaßnahmen
für das hungernde Afrika befasste, scheine die Weltöffentlichkeit die afrikanische Krise
verdrängt zu haben, so James Morris, Exekutivdirektor des UN-Welternährungsprogramms
(WFP), vor dem höchsten Gremium der Weltorganisation.
"Die internationale Gemeinschaft lässt sammeln, damit die Versorgung der unter dem
Krieg leidenden irakischen Bevölkerung für einen Monat gesichert ist. Doch für 40
Millionen Afrikaner, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, wäre es ein Segen, wenn sie
einmal einen Monat lang genug zu essen hätten", erklärte er. Morris nahm vor dem
Sicherheitsrat kein Blatt vor den Mund: "Wie ist es nur möglich, dass wir
routinemäßig in Afrika ein bestimmtes Maß an Leiden und Hoffnungslosigkeit zulassen,
das wir in keinem anderen Teil der Welt akzeptieren würden?"
Für den Irak planen die Vereinten Nationen derzeit die größte Hilfsaktion ihrer
Geschichte, deren Ausmaß selbst die im vergangenen Jahr am Horn von Afrika geleistete
UN-Soforthilfe übertreffen dürfte.Das Irak-Hilfsprogramm 'Öl für Lebensmittel', das
die UN beim Einmarsch der US-amerikanischen und britischen Truppen im Irak eingestellt
hatten und das jetzt wieder aufgenommen wird, soll die Versorgung der irakischen
Bevölkerung für etwa einen Monat sichern. Schon vor Kriegsbeginn lebten mehr als 60
Prozent der 27 Millionen Iraker von diesem UN-Programm.
Unterdessen dauern die Hungerkrisen in Afrika an. Vor Journalisten verwies WFP-Chef Morris
auf deren verschiedene Ursachen wie ständig wiederkehrende Dürren, eine verfehlte
Agrarpolitik, bewaffnete Konflikte und die sich katastrophal ausbreitende
HIV/Aids-Epidemie. "Diese tödliche Kombination hat den Agrarsektor ebenso
geschädigt wie die Möglichkeiten der betroffenen Staaten, die Probleme aus eigener Kraft
anzugehen."
Nach Aussagen des Vorsitzenden des in Washington ansässigen TransAfrica-Forums, Bill
Fletcher, wurden seit September im südlichen Afrika 44 Millionen Menschen faktisch für
tot erklärt. "Doch die Welt sieht darüber hinweg", klagt er. "Bush steckt
Milliarden Dollar in einen illegalen Krieg im Irak, während sich im afrikanischen Süden
die eigentliche Bedrohung der Menschheit mit ihrem Horrorszenario ausbreitet."
Afrikas Aussichten auf wirksame Hilfe werden sich weiter verschlechtern, fürchtet
Fletcher, denn, abgesehen vom Irak müssten auch Länder wie Nordkorea und Afghanistan
weiterhin im Rahmen der Soforthilfe versorgt werden.
Von den 2,2 Milliarden US-Dollar für den Nachkriegs-Irak, um die die Vereinten Nationen
in der vergangenen Woche gebeten haben, werden allein 1,3 Milliarden für die
Nahrungsmittelversorgung benötigt. Einschließlich der Zusagen aus den USA und Japan sind
bereits mehr als 1,2 Milliarden Dollar eingegangen.
WFP-Chef Morris befürchtet, dass westliche Spender ihre Hilfe regional umschichten und
anderswo das einsparen, was sie jetzt dem Irak zukommen lassen. Um einer solchen
verhängnisvollen Trendwende zuvorzukommen müsse man für die Irakhilfe neue Mittel
bereitstellen. Dies haben bislang nur Deutschland und Japan versprochen. Morris warnte,
dass mit Ausnahme von China der Hunger in den Entwicklungsländern weiter auf dem
Vormarsch sei.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält den Hunger für die schlimmste Bedrohung
der Menschheit. In den letzten Jahren hat die direkte Nahrungsmittelhilfe für
Entwicklungsländer ständig abgenommen. Heute umfasst sie knapp zehn Millionen Tonnen,
1999 waren es noch 15 Millionen Tonnen.
Vor einer weiteren Marginalisierung der Probleme Afrikas hatte der UN-Sonderbeauftragte in
Sachen HIV/Aids, Stephen Lewis, schon im Januar gewarnt. Er rechne damit, dass mit Beginn
des Irakkrieges Afrika samt HIV/Aids aus den Schlagzeilen verschwinden, hatte der Kanadier
auf einer Pressekonferenz in New York erklärt.
Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte kürzlich, die Medien befassten sich nur
noch mit dem Irak und mit Palästina, obwohl doch allein in diesem Jahr weit mehr Menschen
an der Aids-Epidemie sterben werden als selbst in einem Irakkrieg. Immerhin, so wird
berichtet, planen Frankreich und die USA, das Thema Hunger in Afrika auf die Agenda des
nächsten G-8-Gipfels zu setzen.
Auf Dauer sei den afrikanischen Hungerkrisen mit ständiger Soforthilfe nicht beizukommen,
erklärte Angolas UN-Botschafter Ismael Gaspar Martins am Montag vor dem
UN-Sicherheitsrat. Er berichtete, dass nur 20 Prozent WPF-Mittel in echte
Entwicklungshilfe und in die Produktion von Nahrungsmitteln investiert werden.
Deshalb, so der Vorschlag des Diplomaten, soll das WPF einen Kurswechsel vornehmen und
dafür sorgen, dass sich vor Ort die Bedingungen für eine ausreichende
Nahrungsmittelproduktion verbessern.
Quelle: islamische Zeitung
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